Mittwoch, 4. November 2009

Warum die Zeitenwende im Währungssystem noch auf sich warten lassen könnte

Der Dollar ist in diesem Jahrzehnt deutlich unter Druck geraten. Ein unstabiler Wechselkurs, ein wachsendes Haushaltdefizit der US-Regierung und ein immenses Leistungsbilanzdefizit rütteln an der inoffiziellen Position des Greenback als leitende Reservewährung der Weltfinanzordnung. Die neueste Krise des US-Kapitalismus scheint das Schicksal des Dollar entgültig zu besiegeln, das Vertrauen in die Krisenwährung ist verbraucht. Dennoch, es gibt guten Grund anzunehmen, dass sich der Niedergang des Dollar noch hinauszögert.

Ein schwacher Wechselkurs des Dollar untergräbt nicht zwangsläufig seine Position als Reservewährung. Der billige Dollar ist teilweise sogar von der US-Regierung willkommen, die sich davon eine Verbilligung der US-Exporte und Dezimierung des Leistungsbilanzdefizits erhofft. Sicherlich, die neuesten Kurseinbrüche dürften selbst aus dieser Perspektive besorgniserregend sein.

Und dennoch, selbst in der Finanzkrise hat sich der Vertrauensverlust nicht im Anlageverhalten der ausländischen Zentralbanken bei US-Schatzbriefen niedergeschlagen. Ganz im Gegenteil, der giftige Niederschlag der Finanzkrise führte zu einem regelrechten „run“ auf die Schatzbriefe. Das ist ein Zeichen dafür, dass sie in Krisenzeiten immer noch als sicherste Anlageform betrachtet werden. Ein Plus für den Dollar (siehe Graphik mit der Menge von Sicherheiten, die von ausländischen Regierungen gehalten werden, Quelle: US Treasury).

treasury

Hinzu kommen Länder wie China, die hohe Reserven an Papieren halten, die in Dollar denominiert sind. Diese haben kein Interesse an einem plötzlichen Kursverfall des Dollar. Tatsächlich hat sich China in einer „Dollar Trap“ verfangen: sobald die Zentralbank mit dem Verkauf von Dollar-Reserven beginnt, drückt sie durch das zusätzliche Angebot dessen Preis nach unten. Damit werden zwangsläufig die verbliebenen Dollar-Reserven komprimiert. Vor diesem Hintergrund interpretiert der US-Ökonom Paul Krugman die chinesische Forderung nach eine supra-souveränen Reservewährung als „a plea that someone rescue China from the consequences of its own investment mistakes”. Lakonisch kommentiert er: “That’s not going to happen”. Die chinesischen Bemühung um eine Diversifizierung des Zentralbank-Portfolios sowie die Maßnahmen der russischen Regierung gegen die vorangeschrittene Dollarisierung ihrer Wirtschaft zeigen Eindeutig das Misstrauen gegen den unstabilen Dollar. Fraglich ist, wieviel Handlungsspielraum den beiden Staaten gegeben ist, um dieser „Dollar Trap“ zu entgehen, jenes von der amerikanischen „structural power“ ausgeworfene Fangnetz.

Selbst nach dem wirtschaftlichen Niedergang der USA könnte sich der Dollar als internationale Währung halten. Für die internationale Tauschfunktion des Dollar könnte gelten was Krugman 1984 „circular causation“ taufte. Demnach entscheiden sich Marktakteure für den Dollar, weil alle es tun. Der Dollar bestätigt sich sozusagen selbst und mag dadurch eine Bedeutung erlangen, die mit der wirtschaftlichen Stärke nicht in Korrespondenz steht. Verhält es sich tatsächlich so, dann könnte der Dollar seine Machtstellung erhalten, weil er eben etabliert ist. Der britische Sterling blieb selbst nach dem Schwinden der britischen Vorherrschaft seit den 1870ern erstaunlicherweise bis 1945 Leitwährung, seit 1918 neben dem Dollar. Ähnliches könnte auch dem Dollar in Zukunft beschert werden.

Im Unterschied zu den 1970ern, als ein Absterben des Dollar schon einmal die Agenda beherrschte, sich dann aber doch fing, ist die Existenz eines ernstzunehmenden Konkurrenten: der Euro. Nicht vergessen werden aber darf, dass das Vertrauen in den Euro immer noch an den Erfolg der europäischen Integration und das Zusammenwachsen der europäischen Finanzmärkte gekoppelt ist. Der Aufsteigende Yuan dürfte gleichfalls auf einige Probleme treffen, bevor er seinen Ritt Richtung Leitwährung antritt. Da ist die Frage der innenpolitischen Stabilität. Da ist die Frage der staatlichen Finanzmarktregulierung. Denn freie, liquide Finanzmärkte werden in der westlichen Forschung der politischen Ökonomie als Rückgrat der Dollar-Dominanz verstanden.

Die Quintessenz ist: Chinas Yuan steigt auf, aber der Aufstieg ist eine Sache von Jahrzehnten. Ein multipolares Währungssystem ist auf mittlere Sicht vielleicht möglich, aber erst in längerer Frist wahrscheinlich. Den ersten Schritt hat die Volksrepublik nun schon gesetzt: die Umwerbung Unterstützern in Asien, die sich auf den Yuan einlassen wollen. Das ist eine unabdingbare Basis für die folgenden Schritte. Eine Frage bleibt, denn die Doktrin von der hegemonialen Stabilität erzählt den Mythos von der Zerbrechlichkeit multipolarer Ordnungen. Und doch ist ein Aufstieg des Yuan nur zu wünschen, der sich in die westliche Währungs-Hegemonie einreihen kann.

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