Die Dominanz des Dollar ist in China umstritten. Chinesische Experten sehen sie zum einen als zentrale Stütze der amerikanischen Hegemonie an, verwerfen sie andererseits aber als system-destabilisierender Mechanismus. Während die amerikanische Hegemonie generell als notwendiges Übel akzeptiert wird, wird über eine Reformierung des Weltfinanzsystems aktiv nachgedacht. In diesem Sinn ist auch die Internationalisierung des Renminbi zu verstehen. Zwei chinesische Artikel zeigen einen Ausschnitt der Debatte:
Ma Li und Sun Lei von der Universität Sichuan und der Wirtschaftsuniversität Yunnan, argumentieren (http://d.wanfangdata.com.cn/Periodical_jjwtts201001023.aspx), dass der Dollar kurzfristig seinen Status als internationale Leitwährung nicht verlieren werde. Die Krise hätte das Vertrauen in den Dollar zwar deutlich gemindert. Allerdings verfügten die USA immer noch über eine starke wirtschaftliche Macht, und die amerikanische Regierungspolitik ziele weiterhin auf einen Erhalt der Dollar-Hegemonie ab. Zudem könne der Euro aufgrund interner Probleme nicht die Rolle des Dollar übernehmen, und eine supranationale Währung sei kaum realisierbar. Der Effekt der Finanzkrise auf den Dollar sei eher langfristiger Natur. Aufgrund des Vertrauensverlusts erodiere die Leitposition des Dollar allmäh-lich. Die Krise habe dem Dollar damit einen unsichtbaren Krankheitskeim eingepflanzt.
Lu Qianjin von der Fakultät für Internationale Finanzen der Shanghaier Fudan Universität (http://gjjr.jpkc.gdcc.edu.cn/upload/2010_06/wen6/09.pdf) sieht die Währungshegemonie des Dollar als Bedrohung für die Stabilität des internationalen Wirtschaftssystems an. Aufgrund seines Status als hauptsächliche Reserveeinheit, könnten die USA den Dollar nutzen, um ihr Handelsbilanzdefizit und Haushaltsdefizit langfristig aufrecht zu erhalten. Die Verantwortung werde durch eine expansive Geldpolitik und eine Refinanzierung der Schulden durch erneute Emission von Staatsanleihen zum Großteil auf die Eignerstaaten von amerikanischen Staatsanleihen verteilt. Der Autor meint daher, je größer die Amerikanischen Schulden seien, je größer ihr Besitz an fremden Ressourcen. Chinas Wirtschaft werde an einer voranschreitenden Abwertung Schaden nehmen.
Daher müsste eine neue Währungsordnung geschaffen werden. Der Vorschlag der chinesischen Regierung, die Sonderziehungsrechte des Weltwährungsfonds als internationale Reservewährung zu nutzen, sei kurzfristig nur schwer umzusetzen. Auch eine globale Währungsunion nach dem Vorbild der Europäischen Union sei kaum machbar. Die beste Lösung sei ein multipolares Währungssystem. Durch die Einrichtung mehrerer regionaler Währungen könne die übermäßige Abhängigkeit von einem Staat verringert werden. Das Ziel sei es, auf dieser Basis zwischen den regionalen Währungen einen stabilen Wechselkurs zu errichten und letztlich eine globale Einheitswährung zu finden. Vor diesem Hintergrund müsse die Internationalisierung des Renminbi vorangetrieben werden.
JostW - 14. Jan, 22:02
Die Finanzkrise hat nicht nur die Welt der Banken auf den Kopf gestellt und Kreditinstitute aus China, Japan, Brasilien und anderen Schwellenländern auf die oberen Listenplätze gebracht. Auch die Innovationskapazität scheint sich sprunghaft zu verschieben. So betragen amerikanische Unternehmen zwar noch immer fünf Mal so viele Patene wie chinesische und ca. anderthalb mal so viel wie japanische Firmen, jedoch erlebten Deutschland und die USA letztes Jahr jeweils mehr als 11-prozentige Einbrüche. Korea ( 2,1%), Japan (3,6%) und vor allem China (27,9%)
konnten hingegen deutlich zulegen. Die japanische Panasonic, Huawei Technologies vom ersten Rang verdrängte, befinden sich unter den besten zehn Innovatoren, sechs Unternehmen aus Ostasien. Unter den führenden Sektoren in China befindet sich u.a. die Biotechnologie, wie
Greg Scott darstellte. In allen Küstenpronvinzen konkurrieren meist mehrere Biotech-Standorte darum, Chinas erstes Silicon Valley zu werden.
MaxM - 22. Mär, 15:46
Die gute Macht der Klima-Wahrheit um das IPCC ist angeschlagen. Nach den Ereignissen um „Climate Gate“ und „Glacier Gate“ forderte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon unlängst
eine wissenschaftliche Aufarbeitung des IPCC, um beim nächsten Assessment-Report einiges besser zu machen. Weltweit zehren Klima-Skeptiker jetzt von der schwächelnden Authorität des IPCC und auch in China hat der klimatologische Donner einige
Skeptiker aus dem Tiefschlaf der Marginalisierung gerissen.
Ge Quansheng, Vize-Direktor am Institut für Geographie und Resourcen des Chinesischen Akademie der Wissenschaften (CAS), ein leidenschaftlicher Kritiker des letzten IPCC-Berichts,
meldete sich Anfang Januar 2010 prompt. Er zweifelte das grundlegende Dogma des IPCC an, den Kausalzusammenhang
zwischen CO2-Konzentration und Temperaturanstieg:
"The IPCC report offered no definite scientific basis for the sensitivity of climate change to atmospheric CO2 concentration, although a warming trend was witnessed in the latter half of the 20th century".
Zuletzt im Juli 2009 hatte Ge mit anderen Mitstreitern aus der CAS
grundlegende Zweifel an der IPCC-Annahme geäußert, dass menschliche Aktivitäten der Hauptfaktor des gegenwärtigen Klimawandels sind. Dabei verwies er auf grundlegende Mess- und Datenprobleme des letzten IPCC-Berichts.
Hatte die Chinesische Regierung sich nach langer Ablehnung zu einer
Anerkennung des Zwei-Grad-Ziels in Kopenhagen durchgerungen, so stehen solche Dimensionen für den Klima-Skeptiker Qian Weihong, Professor für athmospherische Wissenschaft an der Peking-Universität, gar nicht zur Disposition. Im Schlepptau der IPCC-Affären fuhr er wieder seine Abkühlungstheorie auf. Demnach soll die Oberflächentemperatur der Erde zwischen 2010 und 2030 zwischenzeitlich sinken, danach wieder steigen. Dem natürlichen Zyklus folgend
schätzt er den Temperaturanstieg bis Ende des Jahrhunderts auf ungefähr 0.6 Grad, wesentlich weniger als die vom IPCC geschätzten 1.4 bis 5.8 Grad.
Aus der Perspektive von Qian hat der Mensch kaum Einfluss auf das Klima, die gegenwärtigen Temperaturveränderungen sind Ausdruck natürlicher Prozesse. Stattdessen unterstellt er dem IPCC Korrelation und Kausalität miteinander zu verwechseln. Während der Anstieg der Temperatur und die CO2-Konzentration in der Atmosphäre korrellieren,
müsse noch kein kausaler Zusammenhang zwischen beiden bestehen. Zudem stützten sich die Temperaturvoraussagen des IPCC nur auf Daten der letzten 150 Jahre, seine Schätzungen beziehen aber Daten seit dem 11. Jahrhundert ein.
Qian zeigt sich resigniert über das Wahrheits-Monopol des IPCC in der Wissenschaft und der öffentlichen Diskussion:
“Nowadays, the view that human activities have caused climate change has dominated the scientific community, public opinion and political discussions. Why are we hardly listening to opposing voices?
In the scientific community, in fact, there are different views. Mainstream scientists who support the climate-change hypothesis, however, almost monopolize the discussion, and oppress the views of climate skeptics. Articles giving higher estimations for future temperatures are easier to publish, and the voices hyping the severity of climate change gain a wider audience. On the contrary, the works that doubt the authenticity of climate change are either rejected or neglected. The global scientific community behaves unfairly on this matter, and consequently it is not surprising that climate skeptics used "Climategate" prior to the Copenhagen conference as a counterstrike to the mainstream.”
In China mehren sich die Stimmen gegen die Wissenschaftlichkeit des IPCC, schon ist der Ruf nach einer Überholung laut geworden. Die chinesischen Kommentatoren sind vor allem misstrauisch über die geringe Beteiligung von chinesischen Klimatologen am letzten IPCC-Bericht,
gerade einmal 28 von über 4000. In der Tat muss das IPCC seine wissenschaftlichen Fakten besser prüfen, um versierten Klimaskeptikern in China keinen Aufwind zu geben.
Denn das wäre eine falsche Entwicklung zur falschen Zeit.
JostW - 14. Mär, 22:04
Die chinesische Regierung versucht seit Jahrzehnten der voranschreitenden Desertifikation im Norden und Westen den Landes Herr zu werden. Während die Wiederaufforstung im Süden Chinas fast zu 100% gelungen ist, sind die Erfolge diese Projekts, das auch als "Grüne Große Mauer" bekannt ist, kümmerlich und stehen in keine Verhältnis zu den finanziellen Kosten, von der Verschwendung von Wasser mal ganz abgesehen. Die
New York Times bringt eine aktuelle Zusammenfassung sowie eine
eindrucksvolle Bildgalerie zum Thema "Verwüstung" in China.
MaxM - 9. Dez, 11:07
When listening to recent scientific and public debates about the current financial and economic crisis, one is normally confronted with this kind of explanations: global imbalances, saving glut, money glut, failing regulation, over-complex financial products, and human greed. On the fringes of debates, Marxist voices even have become louder to denounce the capitalist system itself. What is missing in these debates, however, is our relationship to modernity and societal acceleration. In fact, the financial crash is a direct result of a super-accelerating society.
Modernity and Acceleration
With the dawn of modernity, technological change, the pace of life, and social change have significantly speeded up. More commodities and services are traded per unit of time, more information is exchanged within seconds and appears to have totally decoupled from space. People’s become multitasking monsters, they do more things in less time. The pace of acceleration is still increasing. Capitalism, the utilitarian ideal of human life, and functional differentiation of society are the driving forces behind this trajectory (Rosa 2003, p.10). Paul Virilio, the famous founder of the so-called “dromology”, the sciences of speed, put forward the argument that every increase in speed and every high-speed technology imply the omnipresent potential for accident (Virilio 2006: p.3). An 800-passenger airplane simultaneously produces the potetential for 800 casualities (Le Monde 2008). What about finance?
Financial markets and Acceleration
Financial markets can be seen to be the accelerating core of the capitalist economy. They produce acceleration of economic processes through redistributing resources from security-issuers to buyers. In fact, financial markets turned into places where people hope to make as much money as possible in a very short period of time. To put this another way, they tried to “enforce the value of time above the value of space” (Le Monde 2008). The role of the present in financial markets is reduced to reacting to future expectations: buy or sell securities now if you believe that they will increase in value or devalue in the future. Telecommunication and computers have enabled the weaving of a global network of financial transactions that are transmitted within seconds (Wriston 1988: p. 71). Mechanisms such as “high-frequency trading” even enable market actors to trade security within nanoseconds! Stock exchanges run simultaneously at many places of the globe and often escape sovereignty, which appears to be an outdated model unable to accelerate to the same level of speed. International portfolio trade, on a steep upward climb since the 1980s, outstrips trade in goods and national currency reserves by far. Indeed, this kind of “turbo capitalism” (Luttwak 1999) created its own space, having decoupled from traditional understandings of the map.
The tragedy of finance
Now remember that Todd Gitlin pointed out that “speed brings relative sluggishness in its wake” (Gitlin 2002: p. 109). Financial markets themselves entail the potential for unanticipated de-acceleration, or, to be more specific, serious crash. In bull markets, unlimited financial verve accelerates growth even more and creates even more money by using leverage effects. Nevertheless, as some theorists have observed, more risky financial behavior during good times causes more serious manias and panics during recession. In essence, this is a bubble economy. The tragedy of acceleration then reveals in tumbling shares. A bubble of specific assets such as real estate emerges and generates a dynamic of accelerating prices. If acceleration is getting too fast, the economy is overheating and a sharp and painful period of forced de-acceleration follows (Kindleberger 2005: pp. 21). It appears as if there would be some underlying mechanism that produces a balance between acceleration and de-acceleration from time to time. But beside this supra-historical mechanism, the length of these cycles of acceleration and de-acceleration seems to shorten, so that the frequency of economic change and crises increase.
Acceleration and the current crisis
The current financial crisis is obviously a major accident resulting from over-acceleration in financial markets. Financial markets drew the fuel for their growth engine from the prospering real estate market and the blossoming use of subprime mortgages. In addition to technology, the so-called financial innovations such as Collateralized Debt Obligations and Credit Default Swaps, and the creation of Special Investment vehicles were created to hide risks of acceleration, thus enabling financial actors to accelerate even more – beyond “physical” limits. Over-the-counter transactions, which are not being carried out in stock exchanges, were nearly invisible in terms of traditional understandings of space and thus escaped government control. Mathematic models and the rating agencies being designed as automatic speed measuring devices failed to do their job with increasing speed. A spiral of competition drove up the willingness to speed up further. Ironically, financial acceleration mainly fed upon the acceleration dreams of those people that had been left out of the tremendous speeds so far, “poor” people; poor of speed and unable to accelerate. They had to “borrow” speed. The American society as a whole has been tempted by the promises of acceleration: realize dreams in short time at low costs - that is the mystery behind the external imbalances. Acceleration has become a normal situation – that is the American way of life; that is the guiding pattern for all those who call themselves “modern”.
The relationship between finance and the political system
The pity is that the nature of the relationship between politics and finance proves the political system unable to accelerate to the same level as other societal systems do. The main task for the government to tackle is to govern the increasing de-synchronisation of different societal groups, between accelerating sectors and those that are left behind. And, democratic decision-making requires a lot of time (Rosa 2003: pp. 22). As the financial system is one of the highest accelerating systems, the regulatory agencies had difficulties to keep pace with supervising the huge number of financial transactions and financial innovations. It would have been the government’s task to control acceleration processes. But even if the government agencies had succeeded to regulate some of the new financial products and tried to de-accelerate to a certain degree, financial actors would have created new ones and discovered new loopholes.
An Agenda for Reform
It does not have to be this way. Why not de-accelerating? Obviously, as financial markets were forced to slam on the brake now, governments would be able to impose certain restrictions and to devise new rules of how to drive on the highway of finance and set a speed limit. But it appears as if governments try to nurture a new cycle of acceleration. They are pumping liquidity into the market to revitalize the institutions and processes of acceleration. Instead, from the view of acceleration theory, governments should devise stronger rules to restrain financial activity. On a national level, government should tax financial transactions with higher amounts, increase the requirements of equity capital for banks, check new technology for potential acceleration effects, and avoid financial flows from by-passing the temporal dam of government. On an international level, governments should overcome the neoliberal ideal and return back to some kind of capital controls.
Three related issues
Three issues are linked to these propositions. Firstly, acceleration is not necessarily negative. If it is not a mean in itself and is not overly intensive, temporary acceleration may have positive impacts on human life. The speed in financial markets is not necessarily bad if it does not set itself apart from reality. But so far financial markets proved unable to de-accelerate by themselves. At the moment, the task of governments is to decide how strong the measures of de-acceleration must be. How much capital controls are necessary to avoid future accidents but maintain the necessary speed to keep the flows of economy alive?
Second, acceleration is a comprehensive phenomenon that simultaneously is related to many societal systems such as the judiciary, science, sports, etc. Do we need a central authority of de-acceleration and does the government need a ministry of de-acceleration in order to integrate existing approaches in a comprehensive institution and to improve coordination and efficiency of de-acceleration measures? What competences would such an institution have compared to other departments?
Finally, is de-acceleration a task of the state? Though the proposition made here favor a strong state intervening into society, acceleration theory not necessarily is based on a traditional understanding of state. Do we need advocacy networks of societal actors or public-private partnerships that are able to operate in the new spaces that financial markets created? How should they look like? Would it be effective if financial actors sign a code-of-conduct to de-accelerate? Finally and most importantly, what kind of de-acceleration ethics do we need?
Conclusion
Here, I can not provide satisfying answers to these very important questions. But as I have shown, acceleration theory focuses on a certain aspect of reality that has received only moderate attendance so far. The example of the financial crisis indicates that acceleration theory, although being a rather abstract and sophisticated philosophical category, is able to make concrete assumptions, explanations and provide solutions for specific policy problems. I have given only a rough idea of how to apply the approach to the financial crisis, but a deeper systematic research is promising. Though the propositions made here are quite radical and would meet with fierce opposition from acceleration elites such as financial actors, its ideas can be quite inspiring. We should think about how the political and economic system must change to better deal with acceleration. It should be a dynamic approach which is able to detect when acceleration is necessary and when a certain threshold is surpassed and de-acceleration becomes necessary.
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Gitlin, Todd (2002): Media Unlimited: How the Torrent of Images and Sounds overwhelms our lives, New York: Holt Paperbacks.
Kindlerberger, Charles (2005): Manias, Panics, and Crashes: A History of Financial Crises, 5. Ed., New Jersey: Wiley.
Le Monde (2008): Paul Virilio: “Le krach actuel représente l’accident intégral par excellence“, 2008/10/18.
Luttwak, Edward (1999): Turbo-Capitalism, .New York: HarperCollins.
Rosa, Harmut (2003): Social Acceleration: Ethical and Political Consequences of a Desynchronized High-Speed Society, in: Constellations, Vol. 10, No. 1: pp. 3-33.
Virilio, Paul (2006): The Original Accident. Cambridge: Polity Press.
Wriston, Walter B., Technology and Sovereignty, in: Foreign Affairs, Vol. 67, No. 2: pp. 63-75.
JostW - 3. Dez, 12:43