Sonntag, 8. Februar 2009

Chinas Soft-Power – was drei Stellen hinter dem Komma passiert.

„China, Asia’s largest country, had high annual growth rates of 7 to 9 percent that led to a remarkable tripling of its GNP and enhanced its reputation and soft power“ schrieb Joseph Nye Jr. 2004 in “Soft Power. The Means to Success in World Politics.” Kaum ein aufmerksamer Beobachter der Weltpolitik wird von der Hand weisen können, dass Chinas Soft Power enorm angestiegen ist, ein Blick auf die steigende Zahl von Konfuziusinstituten und die steigende globale Aktivität chinesischer Unternehmen dürfte ausreichen. Zugleich bemüht sich Nye jedoch die Euphorie von vornherein zu zügeln: „Nonetheless, even China has a long way to go...“ Während Joseph Nye sich hauptsächlich dem Phänomen der weichen amerikanischen Hegemonie widmet, wirkt das Kapitel „Others’ soft Power“, in dem auch China seinen Platz findet, eher wie ein dazwischen gequetschter Pflichtteil, um dem Vorwurf eines egozentristischen Weltbildes zuvorzukommen.
Wie Maximilian gezeigt hat, findet diese Konzept inzwischen unter chinesischen Politikern einen großen Zuspruch. Meiner Ansicht nach ist es weitgehend kompatibel mit den chinesischen Vorstellungen eines friedlichen Wiederaufstiegs und einer harmonischen Welt – dabei handelt sich nicht zwingend um eine positive Macht, aber doch zumindest eine solche, die die bestehende Ordnung nicht herausforderd.
Daher bemüht sich die chinesische Wissenschaftsgemeinde um eine theoretische Vertiefung des Konzepts und eine Anwendung auf den chinesischen Aufstieg - um den Fortschritt des politischen Projektes sozusagen messbar zu gestalten. Prof. Yan Xuetong beispielsweise vergleicht mit einem quantitativen Ansatz die Soft-Power der USA und Chinas. Seinem Verständnis nach umfasst dieses Konzept internationale Anziehungskraft, internationale Mobilisierungsfähigkeit sowie merkwürdigerweise auch nationale Mobilisierungsfähigkeit. Der Ansatz von Yan ist höchst zweifelhaft, denn er gewichtet alle berücksichtigten Einflussfaktoren gleich, indem er sie aufsummiert und einen Durchschnitt ermittelt. Wie rechtfertigt er es außerdem nicht quantifizierbare Faktoren außer Acht zu lassen. Dennoch ist das Ergebnis interessant, gleich ob es nun einem quasi-objektivischen quantitativen Ansatz oder aber vielleicht der eigenen Selbstperzeption entstammt. Yan konkludiert, dass die Soft Power Chinas ungefähr ein Drittel der Amerikanischen entspricht. Also gut, bedeutet das nun, dass weltweit auf drei McDonalds-Fillialen ein China-Restaurant trifft?
BBC und GlobeScan veröffentlichten jüngst eine Studie über die Fremdwahrnehmung einer Reihe von Ländern – die Umfrage wurde kurz nach der Wahl Barack Obamas zum Präsidenten der Vereinigten Staaten durchgeführt. Die 13.000 Interviewten aus 21 Ländern hatten den Einfluss der untersuchten Ländern zu bewerten: „01 Mainly positive, 02 Mainly negative, 03 Depends, 04 Neither, neutral, 99 DK/NA“. Im Ergebnis rutschte Chinas positiver Einfluss auf 39% (45% im Jahr 2008) und der negative stieg von 33% auf 40%. BBC untermalte diese Entwicklungstendenz mit einer Fotographie, die den Höherpunkt der olympischen Eröffnungsfeier 2008 abbildet, und untertitelte „Hosting the Olympics appears to have done little for China's image“.
Den größten Ansehensverlust hat China in europäischen Ländern erfahren. 69% der interviewten Deutschen sehen Chinas Einfluss als negativ (2008 noch 59%). In den USA blieb das Stimmungsbild gleich, ca. 52% hatten ein negatives Bild von China. Nur in Westafrika scheint Chinas Einfluss sehr positiv bewertet zu werden: Ghana 76% (2008: 58%), Nigeria 72%; auch in Russland, Indien und Mexiko konnte China zulegen.
Versteht man Soft Power wie Nye vor allem als „attractiveness“ und lässt diese Umfrage als eine Datengrundlage zu, muss sich China dennoch keine Sorgen machen. Die USA konnte sich zwar auf 40 Prozent beim positiven Einfluss gegenüber dem Vorjahr verbessern und China damit überholen. Aber 43 Prozent der Befragten sind immer noch von einem negativen Einfluss der USA überzeugt. Offensichtlich liegt China nahezu gleich auf mit den USA. Wäre das Anlass zu sagen, China verfügte über den gleichen Umfang an Soft Power wie die USA? Gerade Deutschland könnte sich mit diesem Indikator anfreunden, schließlich führt es die Liste als das Land mit dem positivsten Einfluss an. Sicherlich sagt diese Umfrage allein nicht viel über die Soft Power eines Landes aus. Wer könnte bei 13.000 Befragten von einer „World Opinion“ – was das auch immer sei – sprechen? Und was haben die Bürger der übrigen über 180 Staaten zu sagen?
Trotz der Versuche quantitative Präzision ins Spiel zu bringen, bleibt im unklaren wie groß Chinas Soft Power denn nun überhaupt sei. Dem BBC-Korrespondenten in Peking, James Reynold, bleibt in seinem Block nichts anderes übrig als zu fragen: „Have China's efforts won you over?“

Jost

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